Der Ausgangsfall ist wie üblich. Der Unterlassungsschuldner eines Wettbewerbs- oder Markenrechtsverstoßes verpflichtet sich nach einer Abmahnung mittels einer Unterlassungserklärung, eine bestimmte Handlung nicht mehr vorzunehmen, oder wie im vorliegend Fall wurde gegen den Unterlassungsschuldner nach einer ergangenen Verurteilung wegen Verstoßes hiergegen ein Bestrafungsantrag gestellt und letztlich ein Ordnungsgeld verhängt. Im vorliegenden Fall führte dies zu einem Ordnungsgeld zu Gunsten der Staatskasse in Höhe von 25.000,- EUR. Der Unterlassungsschuldner hat keine Rechtsmittel gegen diesen Beschluss. Er muss zahlen.
Was war passiert? Antwort: Der Unterlassungsschuldner hat schlichtweg übersehen oder ignoriert, dass er zur Beseitigung aller von ihm verursachten, im Internet aufrufbaren Rechtsverstöße im zumutbarem Maße verpflichtet ist. Hierzu gehört auch die Veranlassung der Google Cache Leerung!
Das OLG Stuttgart, Beschluss v. 10.09.2015 – Az.: 2 W 40/15, führt hierzu wie folgt aus:
…Es ist anerkannten Rechts, dass sich eine titulierte Unterlassungsverpflichtung nicht in bloßem Nichtstun erschöpft. Sie umfasst vielmehr auch die Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustands, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann.
…Der Schuldner hat alles zu tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Verletzungen des Gebotes zu verhindern. Bezogen auf Verstöße durch leistungsbezogene Aussagen im Internet bedeutet dies, dass der Unterlassungsschuldner verpflichtet ist, organisatorische Maßnahmen innerhalb des eigenen Unternehmens und im Verhältnis zu Dritten, zu ergreifen, um die Einhaltung der Unterlassungsverpflichtung zu gewährleisten.
…Dies gilt nicht nur in Bezug auf künftige Veröffentlichungen. Denn normativ stellt sich auch das Aufrechterhalten einer zuvor veranlassten Veröffentlichung im Internet als Verstoß gegen das Unterlassungsgebot dar. Damit korrespondiert, dass im Internet jeder Abruf eines Inhaltes und jede Zusendung der Daten eine neue Datenübermittlung erfordert.
…Im Rahmen des § 890 Abs. 1 ZPO sind an den Vollstreckungsschuldner strenge Anforderungen in Bezug auf seine organisatorischen Maßnahmen und auf deren Überwachung zu stellen. Im Ausgangspunkt hat sich der Unterlassungsschuldner eines Mediums bedient, das ihm die grenzenlose Verbreitung seiner Werbebotschaften erlaubt. Damit geht auch die grenzenlose Verbreitung rechtswidriger Inhalte einher. Indem der Vollstreckungsschuldner die Vorteile dieser Verbreitungsform nutzt, hat er auch die damit einhergehenden Nachteile zu tragen und die daraus resultierenden Gefahren zu beherrschen. Die in seiner Sphäre entstandenen Gefahren für die Beeinträchtigung fremder Rechte hat er zu beseitigen. Er kann sich demgegenüber grundsätzlich nicht darauf berufen, dies sei mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden, und genügt seiner Pflicht nur, wenn aus der Sicht eines objektiven Dritten an der Stelle des Vollstreckungsschuldners damit zu rechnen ist, dass die ergriffenen Maßnahmen sicher dazu führen, dass sich die in der Vergangenheit gesetzte Gefahr einer erneuten Verbreitung der unlauteren Aussage im Internet nicht verwirklichen wird.…Dies erfordert auch mehrfache Kontrollen. Nicht nur in Bezug auf seine eigenen Leute, sondern auch in Bezug auf Dritte, deren er sich für die Veröffentlichung bedient hatte, schuldet er die Aufwendung größter Sorgfalt und hat alle Maßnahmen zu treffen, die nach menschlichem Ermessen garantieren, dass die untersagte Wettbewerbshandlung nicht durch eine im Verantwortungsbereich des Unterlassungsschuldners stehende Person wiederholt wird.
…Entgegen der Auffassung der Vollstreckungsschuldnerin ist der Unterlassungsschuldner auch gehalten, für die Beseitigung der in seiner Verantwortung in das Internet eingestellten, gerichtlich verbotenen Aussagen aus dem „Cache“ der Suchmaschinenbetreiber zu sorgen.
…Entscheidend und auch für den Geschäftsführer der Vollstreckungsschuldnerin erkennbar war, dass eine unlautere Aussage auch dann noch im Internet abrufbar und also von Bedeutung für den Geschäftsverkehr ist, wenn sie zwar nicht mehr über die Ausgangsseite aufgerufen werden kann, aber über eine in einem Cache-Speicher einer Suchmaschine hinterlegte Kopie. Es ist bekannt, dass auf diesem Wege Inhalte im Zuge einer einfachen Suchanfrage über Jahre hinweg aufgefunden werden können.
…Neben einer Androhung von Sanktionen ist es geboten, dass der Verantwortliche zeitnah überwacht, ob die gebotene Löschung erfolgt und gegebenenfalls angedrohte Sanktionen auch umsetzt.
…Da es sich um Suchergebnisse auf eine Google-Anfrage, also beim Marktführer für Suchanfragen, handelt, die zudem noch in einem nahen zeitlichen Zusammenhang zur Titelzustellung stand, kommen hier weder in zeitlicher noch in sachlicher Hinsicht Umstände in Betracht, die einem Verschulden der Vollstreckungsschuldnerin entgegenstehen könnten.
Fazit: Es scheint derzeit bei der Instanzenrechtsprechung einen Wettlauf um die „Verarztung“ der Unterlassungsschuldner bei Wettbewerbs- und Markenrechtsverstößen zu geben. Der Trend geht ganz klar dahin, dass den Unterlassungschuldnern ein Berg an Beseitigungspflichten auferlegt wird. Wie sagte das OLG Stuttgart noch so schön: „Im Ausgangspunkt hat sich der Unterlassungsschuldner eines Mediums bedient, das ihm die grenzenlose Verbreitung seiner Werbebotschaften erlaubt. Damit geht auch die grenzenlose Verbreitung rechtswidriger Inhalte einher. Indem der Vollstreckungsschuldner die Vorteile dieser Verbreitungsform nutzt, hat er auch die damit einhergehenden Nachteile zu tragen und die daraus resultierenden Gefahren zu beherrschen.“
Es dürfte klar sein, dass 99,9% der Selbständigen sich nicht bewusst sind, welche Reichweite Ihre Handlungen im Internet haben können.