EU-Markenanmeldungen liegen bekanntlich im Trend. Aber warum melden insbesondere deutsche Kanzleien lieber EU-Marken an, anstatt auf die eigentlich präzisere IR-Marke auszuweichen?
Häufig benötigen die Markenanmelder gar nicht Schutz in allen EU-Staaten, sondern nur in Einzelstaaten innerhalb der EU.
Die Gründe liegen im formalen Bereich versteckt. Das EU-Anmeldeverfahren ist nämlich formal erheblich einfacher und in der Anmeldeprozedur deutlich weniger umfangreich als die Anmeldung einer IR-Marke.
Die EU-Marke meldet man direkt – vorzugsweise online – in kürzester Zeit an. Mit guter Aktenvorbereitung ist die eigentliche Anmeldeprozedur in wenigen Minuten erledigt. Bei der IR-Marke ist eine online-Anmeldung nicht möglich. Vielmehr muss man die Papieranmeldung mit einem vergleichsweise großen Fragenkatalog in mehrfacher Ausfertigung über das DPMA einreichen, das als Heimatmarkenamt der Basismarke noch selbst eine Prüfung der IR-Anmeldung vornimmt, bevor diese dann an die WIPO weitergeleitet wird. Das DPMA nimmt hierfür eine Gebühr von derzeit 180,- EUR.
Die EU-Markenanmeldung und Korrespondenz mit dem HABM kann in der deutschen Muttersprache erfolgen. Die IR-Markenanmeldung erfolgt auf Englisch und etwaige Korrespondenz mit der WIPO erfolgt ebenso auf Englisch oder Französisch. Spätestens bei der französischen Sprache streiken die meisten Kollegen.
Bei der EU-Marke erfolgt eine einheitliche Entscheidung z.B. über die Eintragungsfähigkeit oder über Widersprüche. Bei der IR-Marke ist diese Entscheidung nach hinten verlagert. Zwar trägt die WIPO zunächst die IR-Marke ein, danach erfolgt innerhalb von 6 bis 18 Monaten jedoch noch die Registrierung bzw. Ablehnung bei den beanspruchten Staaten durch die nationalen Markenämter. Gegebenenfalls ist weiterer Schriftwechsel direkt mit den nationalen Ämtern in deren Landessprache erforderlich.
Im Gegensatz zur EU-Marke ist bei der IR-Marke die markenmäßige Benutzung in jedem beanspruchten Staat erforderlich. Diese Liste der Komplikationen mit einer IR-Marke ist nicht abschließend.
Fazit: Die IR-Marke macht tatsächlich nur Sinn,
wenn die Schweiz oder weitere Nicht-EU-Staaten des MMA/PMMA beansprucht werden sollen (z.B. die USA, China oder Japan)
oder innerhalb Europas nur einzelne Länder beansprucht werden sollen, weil in einem oder mehreren EU-Mitgliedsländern Konfliktpotentiale lauern
oder der Markenanmelder tatsächlich nur einzelne ausgewählte EU-Staaten benötigt und diese Anmeldung dann billiger und risikoärmer ist, als eine EU-Marke. Es ist nämlich immer im Hinterkopf zu behalten, dass bereits ein Problem in einem EU-Mitgliedsstaat (und sei es nur eine ältere verwechslungsfähige Marke auf Malta) die gesamte EU-Marke infiziert und zu Fall bringen kann, während bei der IR-Marke ein Problem in einem beanspruchten Staat gerade nicht auf die gesamte Anmeldung übergreift, sondern separiert ist.